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Buchbesprechungen
und Infos über
Bücher zum Thema Behinderung,
Inklusion, Leben und Tod:
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Am liebsten alle zusammen, Gabriele Kosack
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Das Leben ist bevor man stirbt
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Der Sommer mit
Alfred, Jan Slepian
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Der Sprung ins volle Leben, Elsbeth Schütze
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Die 50 besten Spiele zur
Inklusion
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Die Welt in meinen Händen, Peter Hepp
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Eltern behinderter Kinder lernen neu Leben, Barbara Beuys
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Ich schlag mich schon durch, Tilmann Kleinau
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In mir ist Freude, Doris
Stommel-Hesseler
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Ins Leben
geschrieben
-
Lotta Wundertüte
-
Mein Glück kennt
nicht nur helle Tage
-
Mein stiller Freund, Lois
Lowry
-
Meine Trauer wird
dich finden - Ein neuer Ansatz in der Trauerarbeit
-
Paula und die Zauberschuhe,
Carolina Moreno und Alexandra Haag
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Schlafanzug und Schokotorte,
Jacqueline Wilson
Die 11-jährige Leonie
schildert das normale Leben in einer außergewöhnlichen Familie.
Die pubertierende 15-jährige Theresa ist die Älteste der vier
Geschwister. Die beiden Brüder Max und Paul leben mit einer
geistigen Behinderung. Der 12-jährige Paul ist seit Kindertagen
ein Spielgefährte von Leonie. Er kann süß sein, aber mit seinen
vielfältigen verbalen Wiederholungen auch ganz schön nerven.
Veränderungen und Emotionen bedeuten für ihn Aufregung, die er
durch „Daumenballen-Beißen“ in den Griff zu bekommen versucht.
Max mit seinen 14 Jahren versucht cool und lässig zu sein. Dabei
ist er oft beleidigend und benutzt besonders in Situationen, in
denen er emotional beteiligt ist, viele Schimpfwärter. Der
Umgang mit ihm wird durch plötzlich auftretende aggressive
Phasen mit intensivem Toben und Zerstören immer schwieriger.
Sowohl die Mutter wie auch der von der Familie getrennt lebende
Vater sind den Kindern liebevoll und
einfühlsam zugewandt. Als die Situation aufgrund von Max’ aggressiven Schüben für die
Familienmitglieder unhaltbar zu werden scheint, ziehen Max und
Paul nach den Sommerferien in ein Heim für Kinder und
Jugendliche mit Behinderung. Aber ist es so wirklich für alle
besser, wie Mama betont? In bildreicher, lebendiger Sprache und
einem Schuss Situationskomik wird der normale Alltag sowohl mit
seinen liebevollen Erlebnissen wie auch den vielfältigen
Erschwernissen geschildert. Da kann der Besuch des
Fußballstadions schon mal zu einem Alptraum oder ein Schuhkauf
zu einer Odyssee werden. In einem abschließenden Kapitel
informiert die Autorin darüber, was es mit dem
Fragilen-X-Syndrom von Max und Paul auf sich hat. Eine
Geschichte, die dem Leben abgeschaut wurde: Spritzig, lebendig,
empathisch, authentisch ... Sehr lesenswert!
Das Leben ist, bevor man stirbt - Texte und Bilder zu
Sterben, Tod und Jenseits von Menschen mit geistiger Behinderung
(Buchvorstellung von
Gertrud Geiger)
Dieses Buch lässt Menschen mit einer sogenannten geistigen
Behinderung zu Wort kommen. In Texten und Bildern teilen Kinder,
junge Erwachsene und alte Menschen ihre Erfahrungen und Gedanken
zum Thema Tod und Sterben mit. Es sind Bilder und Texte, die
berühren, die zum Schmunzeln bringen, zum Nachdenken. In der
Vielfalt der Arbeiten spiegelt sich wider, was eine Autorin
schreibt: „Der Tod ist von allem etwas.“ So ist auf der
Buchrückseite zu lesen und ich kann das nur bestätigen: ein
wunderbares Buch, das auch mir Neues zu diesen schwierigen
Themen eröffnet hat. Es ist äußerst geeignet, sich einerseits
dem Thema Tod zu nähern, kann andererseits auch in die
Gedanken-, Vorstellungs- und Gefühlswelt von Menschen, die eine
geistige Behinderung haben, einführen. Bei einem Preis von 15.-
€ ist es auch gut als Geschenk geeignet. Das Buch ist entstanden
aus prämierten Einsendungen eines Literatur- und
Zeichenwettbewerbs, den das Bestattungsinstitut Vormbrock und
die Künstlerin Sabine Feldwieser ausgeschrieben haben. Eine
Klasse der Martinusschule Ravensburg hat zusammen mit ihrer
Religionslehrerin am Wettbewerb teilgenommen. Ihr
beeindruckender Text ist auf S.19 zu finden. Das Buch ist zu
beziehen über
www.vormbrock-bestattungen.de
Im New York des Jahres
1937 finden vier ungleiche Teenager durch den Bau eines eigenen
Bootes zu einer ehrlichen und ungewöhnlichen Freundschaft
zusammen. Myron ist der Initiator dieser Aktion. Er möchte
endlich frei sein von den Anforderungen seiner weiblichen
Familienmitglieder, die ihn als einen Ersatz seines verstorbenen
Vaters unendlich fordern. Der wie eine Marionette von seiner
Mutter dirigierte 14-jÄhrige mit Cerebralparese lebende Lester
wird durch diese Freundschaft selbständiger, selbstsicherer und
selbstbewusster. Alfred, der mit geistiger Retardierung und
körperlicher Behinderung lebt, scheint mit sich im Einklang zu
sein. Er kann ganz im Hier und Jetzt aufgehen, zufrieden mit
seinem So-Sein und seinen Interessen. Als vierte im Bunde findet
sich der lockere, vorurteilsfreie Energieblitz Claire mit ihren
sportlichen Ambitionen und ihrem Faible für Geschichten im
Bau-Keller ein. Einem wunderbaren Sommer zu viert steht nichts
mehr im Wege.
In einigen Kapiteln wechselt die Erzählperspektive hin zu
Lester, der messerscharf seine Person, die Beziehung zu seiner
Mutter und zu seinem Umfeld mit einer Prise Sarkasmus beschreibt.
Insgesamt gelingt der Autorin eine sehr gute, glaubwürdige,
authentische und niemals voyeuristische Darstellung ihrer
Personen, eingebettet in eine eloquent dargebotene Handlung, die
eintauchen lässt in diese Welt der Jugendlichen.
Es finden sich kaum Kinder- und Jugendbücher, die so
authentisch und empathisch die Gedanken, Gefühle, Handlungen und
Erlebnisse von Jugendlichen mit Behinderung wiedergeben und dabei
auch noch einen hohen Unterhaltungswert haben. Gelebte
Integration, ohne aufgesetzt oder appellativ zu sein.
Der Sprung ins volle Leben
Frau Schütze schreibt die Geschichte Ihres verstorbenen Mannes
Manfred. Nach einem Badeunfall mit 18 Jahren saß
Manfred Schütze 37 Jahre lang im Rollstuhl. Trotz
seines Schicksals war er lebenslustig, optimistisch und
unerschrocken. Er genoss sein Leben in vollen Zügen.
Sein Lebensmittelpunkt waren seine Familie und "seine
Männer", die Zivis, die ihn betreuten. Elsbeth Schütze lässt in
Briefen an ihren Mann die aufregende und abwechslungsreiche Zeit
seines Lebens wiederentstehen.
Die 50 besten
Spiele zur Inklusion
Jedes
Kind ist anders. Inklusion bedeutet, jedes Kind
mit seinen individuellen Lebensumständen,
körperlichen Merkmalen, seinem kulturellen und
religiösen Hintergrund in die Gruppe mit
einzubeziehen. Mit diesen 50 inklusiven Spielen
hat jetzt jedes Kind die Nase vorn! Denn diese
Spiele helfen Kindern, sich der Buntheit ihrer
Gruppe bewusst zu werden, Berührungsängste
abzubauen und eigene Stärken und Schwächen
kennenzulernen. Und beim Spiel mit
Perspektivenwechsel üben sie, sich in die
Handicaps der anderen Kinder besser einzufühlen.
Altersstufe: 5 bis 10 Jahre.
Die Welt in meinen Händen, Peter Hepp,
(Buchbesprechung von Birgit Beutel)
Es gibt Bücher, die den Leser von der ersten bis zur letzten
Seite fesseln. Die außergewöhnliche Lebensgeschichte des
taubblinden Peter Hepp ist so ein Buch. Als Peter Hepp geboren
wird, ist die Welt für ihn und seine Familie noch in Ordnung.
Seine Gehörlosigkeit wird, wie es oft vorkommt, zunächst nicht
erkannt. Die Familie bemerkt zwar die eine oder andere
Auffälligkeit im Verhalten des Jungen, misst den Beobachtungen
aber keine besondere Bedeutung bei. So kann der kleine Peter
drei Jahre lang als rundherum glückliches und von allen
geliebtes Kind aufwachsen. Die heile Welt gerät unvermutet ins
Wanken durch den Verdacht eines Arztes, der einen Hausbesuch bei
dem im gleichen Haus lebenden Großvater macht. Es folgen
Untersuchungen, die zweifelsfrei die Gehörlosigkeit des kleinen
Peter ergeben. Wie für viele andere Familien auch, ist diese
Diagnose für die Hepps ein Schock. Fortan ist nichts mehr so,
wie es einmal war. Dem kleinen Peter ist die plötzliche
Verhaltensänderung der Eltern unerklärlich. Er ist doch wie
immer freundlich, bemüht und liebenswürdig zu ihnen und allzeit
lustig aufgelegt. Er spürt, dass etwas Schreckliches und
Unheimliches geschehen sein muss, das ihn betrifft. Dieses
Unerklärliche kommt ihm vor wie die „Ausweisung aus dem
Paradies“. Die Gehörlosigkeit des Sohnes Überfordert die auf dem
Lande lebenden Eltern. Sie überbehüten ihn und behindern damit
seine eigenständige Entwicklung. Statt in einen weit entfernten
Kindergarten für Gehörlose geben die Eltern ihren Sohn – wohl im
Glauben, das Beste für ihr Kind zu tun – in den im Dorf
vorhandenen Kindergarten für Hörende. Die Hoffnung der Eltern,
dass es irgendwie schon klappen wird, erfüllt sich mehr schlecht
als recht. Peter fühlt sich dort ausgeschlossen, ungerecht
behandelt, hat ständig das Gefühl, nicht für voll genommen zu
werden und erfährt ungewolltes Mitleid. Er ist der Situation
ausgeliefert, als Gehörloser unter Hörenden aufzuwachsen. Auf
die vielen Fragen, die ihn beschäftigen, erhält er keine
Antwort, keine Erklärung. Er kann sich die Welt nur Über die
Augen erschließen.
Zu einem besonders einschneidenden und schmerzhaften Erlebnis
wird für den Jungen die Einschulung in eine Gehörlosenschule.
Die weite Entfernung vom Elternhaus macht eine
Internatsunterbringung erforderlich. Peter leidet unter großem
Heimweh. Keiner kann ihm die Trennung von den Eltern und seinem
Zuhause verständlich machen – nicht die Familie und
Erzieherinnen leider auch nicht. In der schrecklichen ersten
Zeit in der Schule findet er ein wenig Trost bei seinen
Mitschülern, die ähnliche traumatische Erlebnisse schon hinter
sich haben.
Die Schule, in der alles streng geregelt ist, kommt dem Jungen
wie ein Gefängnis vor.
Statt der eigentlich notwendigen psychologischen Hilfe gibt es
Prügelstrafe mit dem Kleiderbügel. Bei einem derart mangelnden
Einfühlungsvermögen in die kindliche Psyche und pädagogischem
Unvermögen grenzt es schon an ein Wunder, dass der kleine Peter
nicht an seinem Kummer zerbricht. Die Bemerkung im Schulbericht,
dass er trotzig reagiert und sich nicht anpassen will, lässt auf
Peters früh ausgeprägtes Durchhaltevermögen und eine große ihm
innewohnende Kraft schließen. Mit der Zeit wird der Aufenthalt
in Schule und Internat für ihn erträglicher, was allerdings kein
Verdienst der Einrichtung ist. Vielmehr ist es das Zusammensein
mit seinen gehörlosen Mitschülern, das ihm das Gefühl von
Aufgenommensein und Geborgenheit gibt. Dank der mühelosen
Kommunikation mit ihnen fühlt sich Peter nicht mehr ausgegrenzt,
wie es in der Welt der Hörenden regelmäßig der Fall ist.
Ganz allmählich begreift er, dass Gehörlose und Hörende sich auf
verschiedenen Ebenen bewegen und dass Hörende den Gehörlosen nur
die untere Ebene zuweisen. Egal, wie sehr er sich auch anstrengt
und bemüht, die Lehrerinnen zeigen ihm immer seine Mangel und
Unzulänglichkeiten auf. So kann sich kein Selbstbewusstsein
entwickeln, den Hörenden gleichwertig und ebenbürtig zu sein. In
all den Jahren hat die Schule ihm das Gefühl vermittelt, ein
Ziel anzustreben, das er nie erreichen kann. Das Bewusstsein,
ein Versager zu sein, schmerzt ihn am meisten. Besonders
beeindruckt ihn das Zusammentreffen mit einem taubblinden
Bürstenmacher. Der erst achtjährige Peter ist fasziniert von der
großen Zufriedenheit und Freude, die dieser alte Mann
ausstrahlt. Es spricht für ein früh ausgeprägtes Interesse und
eine innige Anteilnahme am Schicksal anderer, dass Peter Hepp
sich noch heute an die Wärme erinnert, „die zwischen uns
strömte“. Diese Begebenheit prägt sich in sein Gedächtnis ein
und wird später für ihn noch von Bedeutung sein.
Das Hörende wenig Zutrauen in seine Fähigkeiten haben, erfährt
Peter Hepp auch bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. So
macht er notgedrungen erst eine Lehre als „Teilezurichter“,
bevor er sich zum Maschinenschlosser ausbilden lassen kann.
kann. Die Kommunikation mit den hörenden Kollegen ist schwierig
und unbefriedigend. Von den Jugendlichen im Heimatdorf wird er
zwar akzeptiert, durch seine Gehörlosigkeit aber von tiefer
gehenden Gesprächen ausgeschlossen. Er vermisst den täglichen
Kontakt zu Gehörlosen, die so leicht in Gebärdensprache zu
führenden Gespräche, wie es in seiner Schulzeit möglich war. Mit
großer Freude sieht er darum den regelmäßigen Begegnungen mit
den weit verstreut lebenden Gehörlosen entgegen. Sein großer
Hunger nach Informationen lässt ihn zur „Leseratte“ werden.
Durch vieles Lesen bekommt er auch einen Zugang zur Welt der
Hörenden.
Seine berufliche Tätigkeit füllt ihn auf Dauer aber nicht aus.
Sein Leben erscheint ihm als flach und ohne tieferen Sinn. So
begibt er sich auf einen langen Weg der Selbstfindung. Die Suche
nach dem für ihn bestimmten Lebensinhalt führt ihn auch für
einige Jahre ins Kloster Heiligenbronn. Die Arbeit dort mit
behinderten Menschen und die Auseinandersetzung mit dem
Evangelium sind „Nahrung für sein Herz und seine Seele“.
Die starke Verschlechterung seiner Sehfähigkeit stürzt ihn in
eine ernsthafte Lebenskrise: Er ist zornig mit Gott und hadert
mit seinem Schicksal. Dann aber begreift er die anfänglich als
aussichtslos empfundene Situation als eine große
Herausforderung. Nach acht Jahren verlässt er das Kloster und
nimmt sein Leben selbst in die Hand.
Er muss viele Hindernisse und seelische Tiefpunkte überwinden,
erfährt aber auch aufrichtige Freundschaften und ein ungeahntes
Glück: Er lernt die Frau seines Lebens, eine Hörende, kennen (es
war „Liebe auf die erste Berührung“). Nun stolpern sie gemeinsam
über immer neue Schwierigkeiten.
Aber sie wachsen daran, dass sie es immer wieder schaffen, die
Probleme zu überwinden. Mit Unterstützung seiner Frau baut Peter
Hepp ein Netzwerk für Taubblinde auf und nach mehreren Anläufen
verwirklicht sich auch sein innigster Wunsch: Im Dom zu Rottweil
wird er im Jahr 2003 zum ersten taubblinden Diakon in
Deutschland geweiht.
„Ich glaube, ein Mensch ist gesund, wenn er es schafft,
seinen Frieden mit sich und seiner Situation zu schließen, und
wenn er Vertrauen zu Gott empfindet“, lautet die Botschaft von
Peter Hepp, der heute seelsorgerlich Taubblinde und Gehörlose in
der ganzen Diözese Rottenburg-Stuttgart betreut. Die „Welt in
meinen Händen“ ist ein tiefgründiges und aufrüttelndes Buch.
Peter Hepp schildert darin seinen einzigartigen Lebensweg, den
so vor ihm, allen Widrigkeiten zu Trotz, noch keiner gegangen
ist. Er entführt den Leser in eine ihm unbekannte Welt und lässt
ihn an seiner Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit teilhaben,
aber auch seine unbändige Energie und die große Kraft, die er
aus seinem Glauben schöpft, spüren.
Darüber hinaus fordert Peter Hepp den Leser
unaufdringlich und auf vielfache Weise zu einer
Auseinandersetzung mit Gehörlosigkeit und Taubblindheit auf. Er
hält der Gesellschaft den Spiegel vor, zeigt wann, wie und wo
sie gehörlosen und taubblinden Menschen Wunden schlägt und sie
an der freien Entfaltung hindert.
„Die Welt in meinen Händen“ ist ein ausgezeichnetes Buch, dem
viele gehörlose und noch mehr hörende Leser zu wünschen sind.
Eltern behinderter Kinder lernen neu leben
von Barbara Beuys
Die Journalistin Barbara
Beuys fasst Erfahrungen und Gefühle von Eltern mit
Kindern verschiedenster Behinderungen zusammen.
Ihre Erfahrungen mit Ärzten, ihre eigene
Verzweiflung mit der Diagnose umzugehen, die
Erfahrungen mit der Umwelt uva. kommen zu Wort.
In unserer Gesellschaft der
Gesunden und Leistungsfähigen wird die Tragik von
Familien mit behinderten Kindern kaum
wahrgenommen. Die bekannte Autorin Barbara Beuys
hat mit Eltern behinderter Kinder viele Gespräche
geführt und in Selbsthilfegruppen zugehört. Daraus
ist dieses Buch für die Eltern behinderter Kinder
entstanden, weil nichts so viel Mut macht wie die
Erfahrungen anderer. Es ist auch geschrieben für
die Freunde und Verwandten dieser Eltern, die der
„behinderten Familie“ meist hilflos
gegenüberstehen.Hier erzählen vor allen Dingen
Eltern, die es geschafft haben, zusammen mit ihrem
behinderten Kind neu leben zu lernen. Sie zeigen,
wie sie ihrem Kind helfen, glücklich zu sein, und
wie sie für sich selbst neue positive Erfahrungen
gewinnen konnten.
Ich schlag mich schon durch
Tilmann Kleinau kam am 21.07.1961 als so genanntes
Contergan-Kind mit kurzen, missgebildeten Armen und Beinen
zur Welt. Er wurde notgetauft, weil man sich nicht
vorstellen konnte, dass ein äußerlich so schwer geschädigtes
Kind länger als ein paar Wochen oder Monate leben würde.
Heute lebt er, 47 Jahre alt, als freier Übersetzer für
Agenturen und Verlage aus dem In- und Ausland in Stuttgart,
spielt Schlagzeug in einer Amateur-Rockband, engagiert sich
ehrenamtlich in der Behindertenarbeit und führt, dank
Rund-um-die-Uhr-Assistenz, ein normales, integriertes und
erfülltes Leben. Wie war dies alles möglich? Was sind die
großen und kleinen Stufen in diesem bunten Leben, die
erklommen werden mussten? Wie sieht der Alltag mit seiner
Behinderung aus? Welche Probleme muss er lösen? Welchen
Anteil hatten und haben Eltern, Freunde und Helfer an seinem
Leben? Wo fühlt er sich bis heute eingeengt, ausgegrenzt,
behindert? Was sind seine persönlichen Wünsche an andere
Menschen, seine politischen Forderungen an unsere
Gesellschaft? All dies wird in seiner Autobiografie
beleuchtet. Er hat sie geschrieben, um anderen Menschen, vor
allem auch denen, die nicht behindert sind, ein Bild davon
zu vermitteln, wie er mit seiner Behinderung die Welt
wahrnimmt – und was alles im Leben machbar ist.
In mir ist Freude, Doris
Stommel-Hesseler, (Buchbesprechung von Brigitte Wieland)
Der Leser dieses Buches wird eingeladen viele wertvolle Menschen
kennen zu lernen: Eltern, Geschwister und Großeltern von Kindern
mit einer Behinderung und mit ihnen die Kinder selbst oder die
inzwischen erwachsenen Menschen, die mit unterschiedlichen
Beeinträchtigungen leben. Die Angehörigen wollen nichts
beschönigen, stehen in ihren Erzählungen zu ihren Ängsten,
Tränen und Grenzen. Sie kennen aber auch die andere Seite und
beschreiben sie in einfühlsamen Begegnungen, teils in Bildern
und mit einem wachen Auge für die vielen Momente, die Freude und
Dankbarkeit einschließen.
Die Frage der vorgeburtlichen Diagnostik und die daraus
resultierenden Auseinandersetzungen, Gedanken, Gefühle und
Entscheidungen lassen einige Eltern rückblickend erleben; die
quälenden Fragen: Warum gerade ich? Kann ich/ können wir als
Paar oder als Familie dieser Aufgabe gewachsen sein? Besondere
Achtung und Würde kann den Angehörigen, die hier zu Wort kommen,
zugesagt werden. Ohne einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit
liest man Aussagen wie: „Trotzdem glaube ich, dass ein
behindertes Kind immer als Chance angesehen werden kann um zu
lernen, zu reifen, tiefer in den Sinn des Lebens einzudringen
und Fähigkeiten zu entwickeln, die sonst brach gelegen wären.“
Oder „Als Mutter habe ich mein Kind als Unikat angenommen. Ich
vergleiche die Entwicklung nicht mit anderen Kindern. Ich bin
mir sicher, dass sie ihren Weg gehen wird.“ Eine Mutter, die von
Beruf Hebamme ist, fasst abschließend eher knapp zusammen:
„Leben mit Behinderung ist lebbar, Wege sind andere, aber
gehbar, Gefühle werden richtig fühlbar, das Leben ist
intensiver.“
Eltern entwickeln unzählige Vorstellungen und Bilder vom Leben
mit einem süßen, gesunden Baby – Gesellschaft und Medien tragen
ihren Teil dazu bei. Ein Kind mit einer Behinderung fordert die
Familien zunächst einmal heraus, dieses Bild zu begraben. Sie
können nicht anders als dem Leben, so wie es ihnen tatsächlich
begegnet, in die Augen zu schauen. So lese ich: „Eine andere
Sicht der Dinge ist angesagt. Ich plane nicht mehr für die
Ewigkeit, sondern nur für morgen … Das ist das Beste, was wir
seit der Geburt unserer Tochter gelernt haben.“
In ihrem Vorwort schreibt Doris Stommel-Hesseler: „Das Leben mit
einem behinderten Kind entwickelt sich nicht zwangsläufig zu
einer Leidensgeschichte.“
Ins Leben
geschrieben -
Partnerschaftliche Exerzitien für Menschen mit und
ohne Behinderung
Dieses Kursbuch behandelt
das Thema, das für die Literatur spiritueller und
religionspädagogischer Arbeit völlig neu ist:
partnerschaftliche Exerzitien für Menschen mit und
ohne Behinderung. Am Beispiel eines ausgewählten
Kurses beschreiben die Autoren die einzelnen
Elemente und reflektieren sie methodisch,
pädagogisch und theologisch. Das Buch gibt einen
Einblick, wie die Pastoral von Menschen mit und
ohne Behinderung auf der Basis gemeinsam erlebter
Spiritualität aussehen könnte und wird durch eine
Literatursammlung vervollständigt.
Seit fast einem Jahr
lebe ich im Vinzenzstift Aulhausen, einer großen
Behinderteneinrichtung im Bistum Limburg. „Warum
sind sie dorthin gezogen?“, werde ich immer wieder
gefragt. Das hat viele Gründe. Ein Grund: Ich
wollte an den Rand des Bistums ziehen, um meinem
Nachfolger nicht im Wege zu stehen. Also bin ich
jetzt am äußersten Rande und entdecke von Tag zu
Tag mehr: Der Rand ist die
Mitte. Er ist nicht nur zum Mittelpunkt meines Lebens geworden.
Ich lese dort das Evangelium neu, etwa die
Geschichte vom Mann mit der verdorrten Hand (Mk
3,1-3). Jesus sagt zu ihm: „Steh auf und stell
dich in die Mitte!“ Was/wer ist für Jesus Rand,
und was /wer gehört in die Mitte?
(aus dem Vorwort von Bischof em. Dr. Franz Kamphaus)
Lotta Wundertüte
Ein berührendes Buch, offen und ehrlich
geschrieben von Sandra Roth, Mutter von Lotta.
Durch die sehr menschliche Art lässt das Buch uns
ihre Geschichte hautnah miterleben - eine große
Hilfe für Leser, die sich im Umgang mit
behinderten Menschen in Ihrem Umfeld bislang
unsicher fühlen. Außerdem liefert es fundierte
Beiträge zu den aktuellen Debatten über
Pränataldiagnostik und Inklusion.
Mein Glück kennt nicht nur helle Tage
„Es gibt wohl eine Tatsache
im Leben: Nichts bleibt, wie es ist.“ Dieser
letzte Satz zieht sich als Lebenserfahrung wie ein
roter Faden durch das Buch. Eine Frau voll Energie
und sich oft wandelnder Lebenspläne, wird mit der
Tatsache konfrontiert, dass nicht immer alles nach
Plan läuft. Ihr zweiter Sohn Julius kommt mit
einer Behinderung auf die Welt. Es ist nicht von
vornherein klar, ob und wie stark die Behinderung
von Julius ist. Gabriele Noack beschreibt sehr
lebendig und nachvollziehbar das Wechselbad der
Gefühle. Sie bewegen sich zwischen Hoffnung und
Niederschlägen, Wut und Ohnmacht, Erschöpfung und
Freude, Verzweiflung und Schicksalsannahme. Themen
wie Neid auf Eltern mit gesunden Kindern sind
genauso Thema, wie das Gefühl von
Stigmatisierungen durch das
ANDERS
sein. Mir gefällt gut, dass Gabriele Noack trotz
dem, dass sie sehr eingespannt ist, schnell
erkennt wo und wie sie sich Freiräume zum
Auftanken schaffen kann – als Mutter und als
Ehefrau gemeinsam mit ihrem Partner. Anfangs
träumt sie sich oft in ein anderes Leben. Die
Sorge um Julius lässt sie aber eine andere
Lebensqualität spüren. Sie nennt es „Tiefe des
Lebens“. Prioritäten verschieben sich, weg von
materiellem Wohlstand, Ansehen und Fortkommen zu
inneren Werten. Wie ein Roman lesen sich die
Erfahrungsberichte von Gabriele Noack. Trotz
Schilderung von epileptischen Anfällen,
Krankenhausaufenthalten und Notrufen,
transportiert das Buch durch seine lebendige
Sprache eine gewisse Leichtigkeit in all dem
Chaos.
Mein stiller Freund, Lois Lowry, Carlsen Verlag, 192
Seiten, 14,50 Euro (ab 12 Jahren)
Lois Lowry verbindet
in diesem Buch ihre beiden Interessen, Fotografie und Literatur,
zu einem beein-druckenden Werk: Aus alten Photos des beginnenden
letzten Jahrhunderts entwickelt die Autorin eine fiktive Story um
das Leben von Katy Thatcher und ihrem stillen Freund Jacob.
Rückblickend erzählt Katy, mittlerweile Über 80 Jahre alt,
Erlebnisse aus ihrer Kindheit als Arzttochter in einem Dorf in
Amerika: Die kleinen Alltagsgeschehnisse, Patientenbesuche,
Schlittenfahrten, Babys, die im Garten geerntet werden, die erste
Tin Lizzy im Dorf... Dieses Buch, bei dem jedes Kapitel mit einem
informativem Schwarzweißphoto und Datum eingeleitet wird, ist ein
Tagebuch des beginnenden letzten Jahrhunderts mit seinen
Klassenunterschieden, seiner Normalität des Alltags, den großen
und kleinen Besonderheiten sowie einer faszinierenden
Freundschaft. Jacob ist ein ständig Wollmütze tragender,
„gestärkter Junge“, Über den sich die Mühlenarbeiter lustig
machen. Er geht nicht zur Schule, gibt Dingen keinen Namen, sieht
andere Menschen nicht an und nimmt doch alles wahr. Er ist jemand,
dem „der liebe Gott die Hand aufgelegt hat.“ Die beiden sprechen
nicht miteinander stattdessen aber haben sie eine eigene Form der
Kommunikation Über Geräusche und „Singsang“ gefunden, und so
führen Katy und Jacob eine ungewöhnliche, aber besondere
Freundschaft. Eine leise Geschichte, der man gerne folgt, mit
einem Schluss, der Hoffnung macht, da es Katy gelingt, Jacob zu
verstehen, das Geschehen aufzuklären und für Jacob in Worte zu
fassen. Die Übrige Umwelt ist jedoch nicht bereit, diesem
verstehenden Zugang zu folgen. Als Buch des Monats Februar
2005 von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur
aus-gezeichnet eine empfehlenswerte, anspruchsvolle und doch
leicht beschwingte Literatur für einen gemütlichen Lese-Sonntag.
Meine Trauer wird dich finden; Ein neuer Ansatz in
der Trauerarbeit
Erst durch die eigene Verlusterfahrung, wurde Roland Kachler, der als
Psychotherapeut arbeitet, klar, dass in der
Trauerarbeit, nicht das „Loslassen“ des
Verstorbenen stehen darf, wie
in der einschlägigen Literatur von Trauer
zu finden ist.
Vielmehr geht es darum
„dass der Tote in einer anderen Weise, bei
den Lebenden bleiben kann.“
Es ist ein praktisches Buch, das
verständlich und mit vielen praktischen Übungen
geschrieben
ist. Und
vielleicht, für manchen Trauernden, ein
Befreiungsschlag sein kann, der Lieben und nicht
loslassen wollte.
Paula und
die Zauberschuhe,
Carolina Moreno und Alexandra Haag
Paula ist ein Vorschulkind und fährt einen Rollator.
Auch wenn in ihrem Körper eine Spastik wohnt, geht sie
mit ihren körperlichen Unvollkommenheiten ganz
natürlich um: „Zusammen sind meine Hände echt prima.“
Paula weiß, was sie will und was sie kann und ist
meistens fröhlich. Wenn sie aber mit ihrer
körperlichen Behinderung an ihre Grenzen kommt, kann
sie richtig sauer, traurig oder wütend werden.
Kindgerechte Erklärung und Zuwendung in der
Bewegungsambulanz führen zu neuem Wissen und geben
Paula und ihrer Familie viele nützliche Informationen
über Paulas Spastik, Therapiemöglichkeiten,
Hilfsmittel und Medikamente. Dadurch verschwindet die
Behinderung zwar nicht, aber sie tritt in den
Hintergrund und macht Platz für Spielen und Bewegen,
Räuberhöhlen bauen und auch Zimmer aufräumen – für
echtes Kinderleben eben. Das liebevoll illustrierte
Buch wendet sich an alle, die mit Vor- und
Grundschulkindern zum Thema Körperbehinderung und
Spastiken lesen möchten.
Schlafanzug und Schokotorte, Jacqueline Wilson, Erika Klopp
Verlag, Hamburg Herbst 2003, 128 S., 7,90 Euro (ab 8 Jahren)
Daisy ist glücklich,
in ihrer neuen Schule Freundinnen gefunden zu haben. Mit ihnen
bildet sie den ABCDE-Geheimclub. Amy ist die erste der fünf, die
zu einer Übernachtungs-Geburtstags-Party einlädt. Jede Feier
bietet kleine Höhepunkte und Besonderheiten. Als letzte hat Daisy
Geburtstag und ist sehr besorgt, wie Amy, Bella, Chloe und Emily
auf ihre mit schwerer Behinderung lebende 11-jährige große
Schwester Lilly reagieren werden. Ein ganz besonderes Problem
könnte hierbei die verwöhnte Chloe mit ihren ständigen
Gemeinheiten gegenüber Daisy werden. Kein Wunder, dass Daisys
Übernachtungsparty so manche Überraschung bereithält. Daisy ist
die Ich-Erzählerin, die die Leserin ihre Erlebnisse und Gefühle
hautnah miterleben lässt. Ergänzt wird diese unterhaltsame
Erzählung durch die gelungene farbige Illustration von Giulia
Orecchia, die Daisys Schilderungen wirkungsvoll unterstreicht. Ein
ansprechendes, kurzweiliges Buch für Mädchen ab 8 Jahren, das
altersgerecht die Lebenswelt, Interessen und Sorgen von
2./3.-Klässlerinnen wiedergibt und zusätzlich noch die spezielle
Situation der mit Behinderung lebenden großen Schwester
authentisch, sensibel und offen integriert.
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